Kapstadt – Karlsruhe – Kathmandu – …
Als Grundschullehrerin kommt man herum. Krankheitsvertretungen, Versetzungen, Abordnungen führen zu immer neuen Einsatzorten – allerdings lokal auf ein Bundesland oder noch kleinere regionale Einheiten begrenzt. Meist endet diese Wanderschaft (vorläufig) nach einigen Jahren, weil es doch vielen Lehrerinnen und vergönnt ist, eine Schule zu finden, in deren Abläufe man sich gut einfinden kann und sich einbringen kann. Kurz gesagt: Eine Schule, an der man sich wohl fühlt. Diese Situation fand ich zehn Jahre an einer Karlsruher Grundschule vor, bevor ich ein einjähriges Sabbatical nutzte, Grundschulen auf anderen Kontinenten kennen zu lernen. Zunächst nach Kapstadt, dann nach Jiri (Nepal) und dann nach Kathmandu.
Zusammenspiel von Schule und Umgebung
Für mich war es sehr interessant zu sehen, wie die Voraussetzungen vor Ort, die Gestaltung der Schulen beeinflussen. Und umgekehrt: Wie die Schulen versuchen, auf das Leben der Familien ihrer Einzugsgebiete (positiv) einzuwirken.
Südafrika
Unterricht am Fuße des Tafelbergs – prächtige Landschaft und Armut dicht beieinander. Die Gegensätze in Kapstadt sind mit jedem Schritt und Blick spürbar. So drängt es sich geradezu auf, nach etwas Verbindendem zu suchen. Zum einen ist es wohl die Sorge um die Sicherheit, die Gäste und Bewohner der Stadt gleichermaßen umtreibt. Zum anderen konnten sich zur Zeit meines Aufenthaltes alle, egal ob in den Townships oder rund um die Waterfront, von der prickelnden Frühlingssonne beleben lassen. Wie wirkte sich diese Atmosphäre auf das Schulleben aus?
Schulbeginn und Unterricht
Gemeinsames Gebet auf dem Schulhof und Singen der Schulhymne – so beginnt jeder Tag. Dann betreten die Kinder ihr Klassenzimmer und nehmen ihre Plätze ein. Ein üblicher Schultag dauert von 8.00 bis 14.30 Uhr. Als ich dort war, erlebte ich den Unterricht der dritten Klasse in den Fächern: Englisch, Mathematik, Science, Afrikaans.
Die Zeit meines Aufenthaltes fiel auf das Schuljahresende. Daher war das Lernen in den Fächern für das laufende Schuljahr beinahe beendet. Der Schwerpunkt lag auf den assessments. Überprüfungen wurden in allen Fächern geschrieben, korrigiert und Ergebnisse zurückgemeldet. Einzelne Aufgaben aus den Lehrbüchern wurden noch erledigt. In Mathematik ging es um „round up to the ten“, in Englisch um „three kittens“ in Science um „sugar cane“ und in Afrikaans um eine Geschichte, wie der Elefant zu seinem Rüssel kam. Auf diese Weise schnappte ich einige Wörter in dieser Sprache auf. Und so wurde ich nicht nur in die Korrektur von Matheaufgaben eingebunden, sondern durfte auch Lesenoten in Afrikanns machen :). So hohe Bewertungen werden die Schülerinnen und Schüler vermutlich nie wieder erhalten!!!
Unterbrochen wurde die Lernzeit gegen 11.00 Uhr von einer Pause für das Mittagessen. Manche Kinder verließen das Klassenzimmer, um beim Verteilen zu helfen.
Die gesammelte Stimmung am Morgen wich zunehmend einem gewissen Bewegungsdrang und Kommunikationsbedürfnis. Gelegenheiten, diese Bedürfnisse auszuleben – kleine Lerngruppen auf dem Schulhof oder in der assembly hall – verscheuchten die Lernmüdigkeit.
Deutschland
Noch keine zehn Jahre alt, ist diese Schule von Anfang an darauf ausgelegt, den Erfordernissen der Familien, die sich in der neu gebebauten Siedlung ringsherum niederließen, gerecht zu werden. Eine Schule, die antritt aktuellen Ansprüchen in vielerlei Hinsicht gerecht zu werden:
- Verbindliche Ganztagsschule,
- vielversprechende Medienausstattung,
- kulturelle, naturwissenschaftlich, sportliche Angebote in den Betreuungszeiten
- …
Gemeinsam finden Schüler, *innen, Eltern, Lehrer*innen und Erzieher*innen Lösungen für die vielfältigen Herausforderungen ihrer Schule. Entwicklung und Veränderung sind neben verlässlichen Strukturen elementare Bestandteile des Schullebens. Pädagogische Idealvorstellungen treffen auf die realen Gegebenheiten, die nicht immer so ideal sind. Was die Akteure daraus machen und wie Schulentwicklung unter diesen anregenden Bedingungen abläuft, kann die Schullandschaft inspirieren!
Die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler stehen bei allen Entscheidungen im Zentrum. Eigenverantwortung und Rhythmisierung sind für die Organisation des Lernens wesentliche Faktoren. Selbstständigkeit ist ein selbstverständlicher Auftrag für alle. Vielfältige Lernformen, das Aufsuchen verschiedener Lernorte, die Ausstattung mit „traditionellen“ und digitalen Lernmaterialien helfen dabei, eine motivierende Lernumgebung anzubieten. Jedes Kind kann entsprechend seiner Lernvoraussetzungen bedeutsame Lernfortschritte erzielen.
Der Schulalltag ist strukturiert durch Unterricht in den Fächern, individuelle Lernzeiten, Arbeitsgemeinschaften, gemeinsames Essen und flexible Betreuungszeiten. Die Nähe zu Frankreich führt in dieser – wie in allen anderen Karlsruher Grundschulen – zu Französisch als Fremdsprache.
Nepal
Zu Gast in Jiri zu sein war ein besonderes Privileg. Die Gemeinde liegt auf ca. 2000m Höhe und stellt eine Zwischenstation auf dem Weg von Kathmandu zum Mount Everest dar. Die Gegend ist touristisch wenig erschlossen, nur selten halten sich dort Europäer auf. Das Epizentrum des zweiten Erdbebens 2015 lag in dieser Region. Die Landschaft ist von mehreren Flüssen und üppigem Grün geprägt, außerhalb des Monsuns kommt die einzigartige Aussicht auf die Achttausender dazu. In dieser Gegend Schulkind zu sein ist nicht ganz einfach! Oft arbeitet ein Elternteil auf der arabischen Halbinsel oder in Indien, um die Familie finanziell versorgen zu können. Die Schulwege sind weit. Es fehlt eine wärmende Schuluniform in den Wintermonaten. https://www.future-citizen.org/de/eine-lehrerin-aus-deutschland-besucht-unser-kinderhaus.html
Dennoch wird die schulische Bildung offensiv angegangen. Schon die Vierjährigen beschäftigen sich mit dem englischen Alphabet und erhalten Anregungen für kleine Experimente. In allen Klassen findet ein Teil des Unterrichts auf Englisch statt. Schulleitung, Lehrkräfte und Elternvertretung haben klare Vorstellungen, wie sich die Schule weiterentwickeln könnte. So wurde bei meinem Besuch der Wunsch nach einer Montessori-Lehrerin geäußert, um die Vorschulkinder besser fördern zu können. Auf familiäre Notlagen sowie auf besondere Begabungen kann durch Kontakte nach Kathmandu wirkungsvoll reagiert werden. https://www.future-citizen.org/de/
Die Arbeit und Hospitation in Grundschulen auf verschiedenen Kontinenten erlaubt einen interessanten Blick auf die Vielfalt und die Unterschiede. Aber genauso auf (verblüffende) Gemeinsamkeiten:
- In allen drei Schulen gehörte der fehlende Spitzer zu den lästigen Problemen des Schulalltags.
- Überall stand in der dritten Klasse die schriftliche Subtraktion auf dem Plan.
- Schulentwicklung trieb die Lehrerschaft an allen Schulen um.